Der große Bruder von Neukölln
Im Herbst 2008 habe ich dieses Buch veröffentlicht, um all meine Erfahrungen und Erlebnisse mit Euch zu teilen. Dabei geht es um meine Zeit als Teenager, der fast auf die schiefe Bahn geraten wäre und anschließend meinen Freundeskreis gewechselt und meine 2. Chance genutzt habe.
Während meiner Arbeit im Neuköllner Kiez, dem Rollbergviertel lernte ich die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen kennen. Die Jugendlichen können sehr kompliziert sein, aber sie können auch sehr zuverlässig und sehr neugierig sein. Eines haben sie jedenfalls alle gemeinsam: sie wollen ein Teil der Gesellschaft sein und vor allem wollen sie Anerkennung und Wertschätzung bekommen.
In meinem Buch diesem schildere ich mein erlebnisreiches Leben. Vor allem möchte ich zeigen, dass es sich lohnt, niemals aufzugeben. Nicht sich selbst – und im Übrigen auch nicht andere.
Wie viele Jugendliche, war auch ich immer wieder auf der Suche nach Antworten auf die Fragen „Wer bin ich?“ „Wo komme ich her?“ „Ich bin Deutscher, aber warum glaubt mir niemand?“ „Was sind die Unterschiede zwischen Christen und Muslime?“
Je älter ich wurde, desto mehr beschäftigten mich diese Fragen und ich lernte immer mehr meine Identität kennen.
Die Begriffe Ehre, Stolz oder Respekt hat jeder schon gehört oder verwendet, aber komischer Weise kann sie kaum einer wirklich erklären. Vor allem Jugendliche, verwenden diese Wörter oft, ohne wirklich zu wissen, was sie eigentlich bedeuten. Wenn jetzt noch die Bereiche Religion, Kultur oder Traditionen hinzukommen, kann es gefährlich werden. Denn auch diese Begriffe werden selten auseinander gehalten.
Ein absolutes Tabu ist jemanden mit „du Hurensohn“ zu beschimpfen, da dreht fast jeder Jugendliche durch. Es geht ihnen darum die Mutter schützen zu wollen, aber letztendlich sind sie es, die ihre Mütter ständig verletzen und zum weinen bringen. Meine Erfahrungen als Dozent an den Schulen, waren ebenso schockierend wie lehrreich. Ich habe Lehrerinnen erlebt, die weinend aus dem Unterricht in den Lehrerzimmer sind. Schüler die an ihrem letzten Schultag vor den Ferien traurig waren, da sie in der Schule „Frei“ sind. Der Ort Schule, ist mehr als nur ein Ort der Bildung. Er wird immer mehr ein Ort der Begegnung. Der Beruf der Lehrer ist mehr als nur Unterricht, sie müssen Multitasking-Fähig sein, denn sie sind Vertrauensperson, großer Schwester, die einzige Freundin und auch Vorbilder. Wie können bestehende Missverständnisse zwischen dem Elternhaus und der Schule beseitigt werden, damit eine gute und gelungene Zusammenarbeit wachsen kann.
Kampfzone Straße
Dieses Buch ist all denen gewidmet, die Opfer von Gewalt (Jugendgewalt) wurden, ohne dass die Täter gefasst oder angemessen bestraft wurden.
Zusätzlich soll all denen gedankt werden, die Zivilcourage bewiesen und so mutig Opfern von Gewalttaten geholfen haben.
(Karlheinz Gaertner und Fadi Saad)
Wir leben in einer Zeit, in der die Hemmschwelle ein Messer zu tragen gesunken ist. Es sind mittlerweile 10jährige die mit einem Messer bewaffnet sind. Nach schweren Delikten liegen die Opfer in Krankenhäusern und die Täter zuhause statt in Gefängnissen, wo sie sein sollten. Sie werden von der Polizei gefasst und von der Justiz wieder auf freien Fuß gesetzt.
Es sind die Opfer, um die sich kaum einer kümmert, stattdessen erhalten die Täter immer mehr Aufmerksamkeit.
Wir leben in einer Zeit, wo vor unseren Schwimmbädern, Schulen und sozialen Einrichtungen Wachschützer stehen und in den öffentlichen Personennahverkehr der Sicherheitsdienst zum Alltag gehört.
Mit diesem Buch berichten wir von unserem gemeinsamen Kampf gegen die Jugendgewalt, der zeigt, wie es gelingt, Gräben zu überwinden und Perspektiven zu eröffnen.
Ich habe meinen Co-Autor, Karlheinz Gaertner, während meiner Arbeit als Quartiersmanager in Neukölln-Körnerpark kennen gelernt. Aus einem gemeinsamen Plan, eine messerfreie Zone zu schaffen, wurde viel mehr. Wir schafften Begegnungen zwischen den Jugendlichen und den Kollegen der Polizei und vor allem Lehrern und Eltern.
Ein weiterer Schwerpunkt unserer Arbeit ist die Zusammenarbeit mit den Schulen, denn hier prallen zwei Welten zusammen. Die Jugendlichen verbringen (in der Regel) hier die meiste Zeit am Tag. Die Konfrontation zwischen der Kultur Zuhause und in der Schule ist eine große Hürde, die zu überwinden ist.
Ja es gibt eine Menge Probleme, die noch zu lösen sind. Viele dieser Probleme beruhen auf Missverständnissen, diese zu lösen bedarf es einer Vermittlung und Begleitung. Im Buch zeigen wir einige Möglichkeiten auf, wie eine Vermittlung zwischen der Schule und den Eltern gelingen kann.
Damit wir unsere Arbeit erfolgreicher angehen können, sind wir auf die Unterstützung der Gesetzgeber angewiesen. Im Buch stellen wir Forderungen auf, die der Gesellschaft und uns bei der Arbeit gegen die Jugendgewalt helfen würden.